Organisationschaos beim Schwimmunterricht: Kostenlose Schwimmkurse in Potsdam ohne Kinder
pnn
Potsdam - Eltern, Schwimmlehrer:innen und Hortbetreiber sind gefrustet: Aufgrund der Pandemie ist viel Schwimmunterricht bei den Grundschüler:innen ausgefallen, allein die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) konnte 2020 in Brandenburg rund 70 Prozent weniger Kursstunden anbieten als sonst. Die Zahl der geprüften Seepferdchen-Abzeichen hat sich halbiert. Unter dem Motto „Aufholen nach Corona“ hatte die Landesregierung daher mit Förderung des Bundes ein 68,7 Millionen umfassendes Programm zum Ausgleich von Lernrückständen aufgelegt, das auch kostenlose Schwimmkurse für 3000 Kinder in Brandenburg beinhaltet.
Bedingungen für Kurse kaum umsetzbar
Doch viele der Kurse sind leer: „Aktuell haben wir nur rund 1000 Kinder, die das Angebot nutzen“, sagt Robert Busch vom Vorstand des Landessportbundes Brandenburg, der das Programm zusammen mit dem brandenburgischen Bildungsministerium erarbeitet hatte. Viele Potsdamer Sportvereine stehen nun mit Beckenzeiten da, aber es gibt nur wenige Anmeldungen: „Es wird nicht der Bedarf gedeckt, der eigentlich da ist“, sagt Christian Gerber, Abteilungsleiter für Breiten- und Behindertensport beim SC Potsdam, dem größten Sportverein der Landeshauptstadt. „Die Bedingungen des Programms sind so kurzfristig nicht umsetzbar.“
Genügend Vorlauf gab es: Das Programm sei bereits seit Monaten in Arbeit, auch die Sportvereine und die DLRG seien informiert und vorbereitet, sagt Busch. Doch am 22. Juni, zwei Tage vor Beginn der Sommerferien, erhielten viele Horte vom Ministerium die Information, dass die Nutzung der kostenlosen Schwimmkurse an einen Hortbesuch gebunden sei: „Täglich müssen die Kinder sechs Stunden betreut werden“, sagt Gerber. Die Intensivkurse des SC Potsdam beinhalten jeweils zehn Trainingsstunden in einer Woche, mit je einer Trainingseinheit vormittags und einer nachmittags.
Davor, dazwischen und danach müssen die Kinder betreut, zur Schwimmhalle gebracht und wieder abgeholt werden. „Das können wir als Verein schwer leisten“, sagt Gerber. Also müssen dies die Horte übernehmen, doch die seien entweder „sehr spät oder gar nicht“ über die Bedingungen des Schwimmprogramms informiert worden, so Gerber. „Die An- und Abfahrt zu den Kursen soll über die Horte organisiert und begleitet werden, was angesichts der Ferienbesetzung ausgesprochen schwierig ist“, sagt Sabine Frenkler, Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt Potsdam (Awo), die mehrere Horte in der Landeshauptstadt betreibt.
Keine Planung für Hortbetreiber möglich
Die Awo und andere Hortträger fühlen sich überrumpelt: Man sei gewillt, den Kindern kostenlosen Schwimmunterricht zu ermöglichen, doch dafür wäre „ein ausreichendes Planungszeitfenster von Nöten, welches es nicht gab“, heißt es in einer Mail an die Eltern eines Potsdamer Awo-Hortes. So kurzfristig könne man nicht die ganze Ferienplanung umwerfen. Hinzu kommen bürokratische Hürden: Die Eltern müssen zunächst ihren Bedarf in der Schule anmelden, um eine Bescheinigung für die Teilnahme an den Kursen zu erhalten. Die Bescheinigung muss durch die Schulen ausgestellt werden, die in den Ferien nur sehr dünn oder gar nicht besetzt sind. Anschließend muss der Betreuungsbedarf beim Hort angemeldet werden. „Außerdem muss es ja auch noch Personal für die normale Hortbetreuung geben, viele haben nicht die Kapazitäten, um zusätzlich noch mit zehn oder 20 Kindern zur Schwimmhalle zu fahren.“
Gerber: "Eltern total enttäuscht"
Nun müssen Gerber und seine Kolleg:innen vielen Eltern erklären, warum sie die Schwimmkurse nicht in Anspruch nehmen können. „Die Eltern kommen her und sind dann total enttäuscht, wenn sie erkennen, dass das nicht geht“, sagt Gerber. Besonders ärgert ihn, dass Kinder, die gar nicht in den Hort gehen, komplett durchs Raster fallen. Gleichzeitig gibt es laut Awo auch Eltern, die die bereit wären, ihre Kinder selbst zur Schwimmhalle zu fahren und wieder abzuholen. Doch die Inanspruchnahme der Kurse ist an die Hortbetreuung gebunden. „Warum hier eine Begleitung der Kinder durch die Eltern nicht möglich sein soll, erschließt sich uns nicht“, sagt Sabine Frenkler von der Awo.
Wer seine Kinder außerhalb des „Aufholen“- Programms zu einem Schwimmkurs bringen möchte, dem bleibt nur übrig, die Kurse aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Intensivkurs des SC Potsdam kostet 155 Euro. „Wir hoffen sehr, dass diese bürokratischen Hürden schnell fallen und praxistaugliche Lösungen entwickelt werden, damit möglichst viele Kinder vom eigentlich tollen Angebot Gebrauch machen können und sich künftig sicherer am und im Wasser aufhalten können“, sagt Frenkler. Das Bildungsministerium beantwortete eine entsprechende Anfrage der PNN am Montag nicht.